Bewegt sich einer der Sterne auf uns zu, empfangen wir seine Lichtwellen ein klein wenig gestaucht und die seines forteilenden Partners ein klein wenig gestreckt. Nach einer halben Runde vertauschen sie die Rollen. Die für Atome und Moleküle charakteristischen Spektrallinien im Licht eines Doppelstern-Systems wandern daher periodisch hin und her. Die Periodendauer \(T\) ist die Umlaufdauer der Sonnen, die Verschiebung verrät ihre Geschwindigkeiten.
Für die radiale Kompente \(v_r\) parallel zur Blickrichtung der Bahngeschwindigkeit gilt nichtrelativistisch genähert gemäß Dopplereffekt $$v_r=\frac{\Delta \lambda}{\lambda_0}\cdot c \qquad (3)$$ Darin ist \(c\) die Lichtgeschwindigkeit und \(\frac{\Delta \lambda}{\lambda_0}\) das Verhältnis der Wellenlängenänderung \(\Delta \lambda\) zur im Labor gemessenen Wellenlänge \(\lambda_0\) einer Spektrallinie.
Angenommen, unsere Sichtlinie liegt in der Bahnebene andernfalls ist der Winkel dazwischen einzuberechnen der Doppelsterne, dann gilt für die Bahngeschwindigkeit \(v=v_{r,max}\) und im Fall von Kreisbahnen als Sonderfall von Ellipsenbahnen mit großen Halbachsen statt Radien : $$v=\frac{2\pi\cdot r}{T} \Rightarrow r=\frac{v\cdot T}{2\pi}$$ und damit auch $$\frac{v_A}{v_B}=\frac{r_A}{r_B}\overset{(1)}{=}\frac{m_B}{m_A} \qquad (4)$$
Spica ist der hellste Stern im Sternbild Jungfrau. Ihre spektroskopische Untersuchung entlarvt sie als Doppelstern. Die \(H_\alpha\)-Linie des Wasserstoffs mit der Wellenlänge \(\lambda_0=656,5\) nm wird mit einer Periode von \(4,0\) Tagen jeweils um \(\Delta \lambda_A = 0,42\) nm und \(\Delta \lambda_B = 0,25\) nm gegenläufig verschoben. Berechne Geschwindigkeiten, Abstand und Massen der beiden Sonnen unter der Annahme, dass ihre Bahnen Kreise sind und sie aus der Bahnebene beobachtet werden.
Mit der Dopplerformel \(v=\frac{\Delta \lambda}{\lambda_0}\cdot c\) ergeben sich die Geschwindigkeiten $$v_A=\frac{0,42 \text{ nm}}{656,5 \text{ nm}}\cdot 3,0\cdot 10^8 \frac {\text{m}}{\text{s}} \approx 1,92\cdot 10^5 \frac {\text{m}}{\text{s}}$$ und $$v_B=\frac{0,25 \text{ nm}}{656,5 \text{ nm}}\cdot 3,0\cdot 10^8 \frac {\text{m}}{\text{s}} \approx 1,14\cdot 10^5 \frac {\text{m}}{\text{s}}$$ Aus \(r=\frac{v\cdot T}{2\pi}\) erhält man den Abstand $$r=r_A+r_B=\frac{v_A\cdot T}{2\pi}+\frac{v_B\cdot T}{2\pi}=\left(v_A+v_B\right)\cdot \frac{T}{2\pi}\approx 1,7\cdot 10^{10}\text{ m}$$ Einsetzen in \({m_A} + {m_B} = \frac{{4 {\pi ^2} \cdot {r}^3}}{{G \cdot {T^2}}}\)( siehe Formel (2) Zweikörperproblem) liefert: $$m_A+m_B \approx 2,4 \cdot 10^{31} \text{ kg} \approx 12 \text{ M}_\odot$$ und nach Umformung von Formel (4) $$\frac{v_A}{v_B}=\frac{m_B}{m_A}$$ : $$m_A=\frac{v_B}{v_A+v_B}\cdot (m_A+m_B)\approx \frac{1,14}{1,92+1,14} \cdot 12 \text{ M}_\odot \approx 4,5 \text{ M}_\odot$$ und $$m_B \approx 7,5 \text{ M}_\odot$$
erstellt von C. Wolfseher