Korrekturen - die ticken doch nicht richtig | GNSS

Akkurate Zeitmessungen sind bei der Positionsbestimmung mit einem GNSS unerlässlich. Doch seit Einstein wissen wir: Zeit ist relativ.

Ein GPS-Satellit bewegt sich relativ zum Empfänger am Erdboden hier zunächst vereinfachend als ruhend betrachtet mit einer mittleren Geschwindigkeit von etwa 3,9 Kilometern pro Sekunde. Der Speziellen Relativitätstheorie zufolge geht die Satellitenuhr somit um etwa 7 Millionstel Sekunden pro Tag langsamer als diejenigen auf der Erde.

Ausgehend von einem Orbit in 20200 km Höhe mit einer Umlaufzeit von 12 h beträgt die Bahngeschwindigkeit \(v\) des Satelliten auf einer Kreisbahn eigentlich elliptisch um den Erdmittelpunkt $$v=\frac{2\pi(6370 \text{ km} + 20200 \text{ km})}{(12\cdot 60\cdot 60) \text{ s}}\approx 3,9 \frac{\text{ km}}{\text{ s}}$$

Gemäß der Zeitdilatation dauert eine Zeitspanne \(\Delta t'\) an Bord des Satelliten mit den Uhren auf der Erde gemessen \(\Delta t=\gamma \cdot \Delta t'\), wobei $$\gamma = \frac{1}{\sqrt{1-\left(\frac{v}{c}\right)^2}} \approx 1,000000000083$$

Die Uhr des Satelliten geht also im Vergleich mit den Uhren der Bodenstationen nach einem Tag um \(8,3\cdot 10^{-11}\cdot 24 \text{ h}\approx 7\, \mu \text{s}\) nach.

Noch gravierender im wahrsten Wortsinn ist die Auswirkung der Allgemeinen Relativitätstheorie auf die Zeitmessung. Laut ihr vergeht Zeit umso langsamer, je stärker das Gravitationsfeld ist. Da in gut 20000 Kilometer Abstand von der Erdoberfläche die Erdanziehungskraft schwächer ist als am Boden, ticken die Uhren in den Satelliten schneller als am Erdboden, und zwar um 46 Millionstel Sekunden pro Tag.

Während im Tal die Zeitspanne \(\Delta t\) verstreicht ist auf dem Berg schon \(\Delta t' \gt \Delta t\) vergangen. Eine Näherungsformel solange \( \left| \frac{\Delta V}{c^2} \right| \ll 1\) für diese gravitative Zeitdilatation lautet: $$\Delta t'=\left(1+\frac{\Delta V}{c^2}\right) \cdot \Delta t$$ Dabei ist \(\Delta V\) die Potentialdifferenz zwischen Berg und Tal, beziehungsweise zwischen Satellit und Empfänger: $$\Delta V=G\cdot M_{Erde} \cdot \left( \frac{1}{r_E}-\frac{1}{r_S}\right)$$ Der relative Zeitzuschlag ist dann: $$\frac{\Delta V}{c^2}=\frac{6,674\cdot 10^{-11}\frac{\text{m³}}{\text{kg}\cdot\text{s²}}\cdot 5,972\cdot 10^{24}\text{ kg} \cdot \left( \frac{1}{6370 \text{ km}}-\frac{1}{6370 \text{ km} + 20200 \text{ km}}\right)}{\left( 299792 \frac{\text{km}}{\text{s}}\right)^2}\approx 5,3\cdot 10^{-10}$$

Die Uhr des Satelliten geht also im Vergleich mit den Uhren der Bodenstationen nach einem Tag um \(5,3\cdot 10^{-10}\cdot 24 \text{ h}\approx 46\, \mu \text{s}\) vor.

−7 μs + 46 μs = +39 μs. Netto laufen die Uhren an Bord der Satelliten also um 39 Millionstel Sekunden pro Tag rascher als auf der Erdoberfläche. Aber was sind schon 39 μs. Nun. Bei 300 000 km/s Signal­geschwindigkeit mehr als 11 km Abweichung bei der Entfernungsbestimmung! Tag für Tag.

Damit die Satellitensignale außer zur Positionsbestimmung auch als Zeitstandard verwendet werden können, muss der relativistische Gangunterschied der Uhren kompensiert werden. Wie? Ganz einfach:

GNSS

Man stellt die Satelliten-Uhr am Erdboden so ein, dass sie pro Tag um eine 39 Millionstel Sekunde nachgeht. Dazu wird ihre Modulationsfrequenz von 10,23 MHz auf 10,22999999545 MHz verstimmt. Sie tickt dann nicht ganz richtig. Aber in ihre Umlaufbahn geschossen, gleichen die relativistischen Effekte die Verlangsamung der Uhr wieder aus, so dass sie exakt im gleichen Takt mit den Uhren auf der Erde läuft.

erstellt von C. Wolfseher