Woher also kennen Photonen den schnellsten Weg? Die Antwort der Quantenelektrodynamik lautet: Tun sie gar nicht! Photonen beschreiten alle möglichen Wege von A nach B, deren quantenmechanische Wahrscheinlichkeiten zusammen genommen den schnellsten Weg favorisieren. Alle zeitraubenden Umwege interferieren sich weg.
Was? Zugegeben etwas vage formuliert. Der sogenannte Zeigerformalismus kann vielleicht helfen. Also:
In der Quantenphysik wird ein Ereignis wie "Photon läuft auf diesem Weg von A nach B." durch eine Wellenfunktion $$\psi(x,t)=\underbrace{\psi(x,0)}_{r} \cdot e^{i \underbrace{\left( -\frac{E\cdot t}{\hbar} \right)}_{\varphi}}$$ beschrieben, deren Funktionsterm die Polarform \(r \cdot e^{i\varphi} \) einer komplexen Zahl $$ z = x + i\cdot y = r\cdot (\cos \varphi + i \cdot \sin \varphi) = r \cdot e^{i\varphi}$$ hat. \(r\) spielt dabei die Rolle der Wahrscheinlichkeitsamplitude und \(\varphi\) die der zeitabhängigen Phase des quantenmechanischen Zustands.
Stellt man \(z\) als Pfeil in der komplexen Zahlenebene dar, ist das Quadrat der Pfeillänge \(r\) ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis eintritt. Der Phasenwinkel \(\varphi\) lässt den Pfeil mit der Zeit rotieren, so wie man jeder Phase der Schwingung eines Federpendels eine Zeigerstellung zuordnen kann. Je größer die Energie \(E\), desto schneller die Rotation.
Ein Pfeil repräsentiert also die komplexe Wellenfunktion \(\psi\) und damit die Wahrscheinlichkeit des zugehörigen Ereignisses.
Und damit zurück zum gespiegelten Photon:
Unser orientierungsloses Photon kann alle möglichen Wege einschlagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Detektor ankommt, erhalten wir durch Vektoraddition aller Zeiger. Die entstehende Cornu-Spirale offenbart, dass nur die Pfeile in unmittelbarer Nähe zum optimalen Weg wesentlich zum Summenpfeil, also zur Gesamtwahrscheinlichkeit beitragen. Sie weisen nahezu in die gleiche Richtung, weil sie fast gleiche Laufzeiten repräsentieren. Die (unendlich vielen) Zeiger weit ab vom optimalen Weg kringeln interferieren sich weg und werden bedeutungslos. Damit wird der optimale zum wahrscheinlichsten Weg.
Der hier angerissene Pfadintegralformalismus lässt die klassische Optik in einem neuen Licht erscheinen. Das Photon hat keine Ahnung vom Reflexionsgesetz. Auch nicht vom Brechungsgesetz oder der geradlinigen Lichtausbreitung …
erstellt von C. Wolfseher