Herleitung der logistischen Gleichung - Wie viele Schwammspinner gibt es nächstes Jahr?
Immer wieder werden große Gebiete von der explosionsartigen Vermehrung einer Insektenart überrascht. Deshalb sind Biologen, Ökologen und Epidemiologen darum bemüht, Gleichungen zu finden, die es erlauben, die Populationsdichte einer Art in einem Ökosystem vorauszuberechnen. Wie muss eine solche Gleichung aussehen?
Der Schwammspinner, dessen Raupen im Juni 1993 in Unterfranken Schlagzeilen machten, bietet hier ein einfaches Beispiel, da er nach Ablage seiner Eier im Spätsommer stirbt. Die Populationsgröße der Falter im nächsten Jahr hängt also nur davon ab, wie viele Falter in diesem Jahr Eier legen, und welcher Anteil aus den Eiern schlüpft und überlebt.
Einfaches Beispiel: Eine Kolonie besteht aus 1000 Faltern, wobei jedes Insekt im folgenden Jahr effektiv zwei Nachkommen hat: also 2000 Schwammspinner im nächsten Jahr, 4000 im übernächsten Jahr usw. Durch eine Formel ausgedrückt lautet dies:
xn+1 = 2·xn
Hierbei stellt xn die Populationsgröße im n-ten Jahr dar (also n ∈ N0 ). Für andere Wachstumsraten k anstatt 2 erhalten wir allgemein:
xn+1 = k·xn
Um nun die Anzahl der Falter nach 3 Jahren ausgehend von einem Startwert x0 zu berechnen, müssen wir zunächst diesen in obige Gleichung einsetzen. Mit dem Ergebnis x1 verfahren wir ebenso usw. bis wir bei x3 angelangt sind:
x1 = k·x0
x2 = k·x1 = k·k·x0
x3 = k·x2 = k·k·k·x0
Ein solches Verfahren, bei dem mit einer Zahl eine Rechnung ausgeführt wird, dann mit dem Resultat als Ausgangspunkt dieselbe Rechnung, mit dem neuen Resultat wiederum dieselbe, usw., bezeichnet man als Iteration (lat. iteratio: Wiederholung).
Kennt man die Wachstumsrate k und die Anfangspopulation x0, kann man hier xn einfacher berechnen, ohne die Formel n-mal durchlaufen zu müssen:
xn = kn·x0
Diese Formel gibt das exponentielle Wachstum wieder, wie es tatsächlich in der Natur (oder besser im Labor) stattfindet, jedoch nur solange keine Feinde sowie Nahrung und Lebensraum im Überfluß vorhanden sind. Ansonsten wird das Wachstum im Ökosystem durch dichtebegrenzende Faktoren (Nahrungsangebot, Gedrängefaktor, Revierbildung, Räuber usw.) beschränkt, so dass ein natürlicher Schwellenwert, die sogenannte Umweltkapazität, nicht überschritten wird. Bezeichnen wir im folgenden diese maximale Populationsgröße mit 100% = 1. Eine solche Normierung erspart uns das Hantieren mit großen Zahlen. Die Größe xn kann folglich Werte von 0% = 0 (Aussterben der Population) bis 100% = 1 (größtmögliche Population) annehmen.
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